Allein es fehlen Fachkräfte
Die gute wirtschaftliche Lage beschert den Handwerkern in der Region volle Auftragsbücher. Dennoch ist die Stimmung in den vier Betrieben, die Harald Herrmann, Präsident der Handwerkskammer Reutlingen, und Hauptgeschäftsführer Dr. Joachim Eisert kürzlich besuchten, nicht ungetrübt, denn sie finden kaum noch qualifizierte Mitarbeiter.
Erste Station von Herrmann und Eisert, die von Kreishandwerksmeister Alexander Wälde und Siegfried Dreger, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Freudenstadt, begleitet wurden, war die Merklin Werbung GmbH in Baiersbronn. Der Betrieb produziert klassische Werbetechnik in unterschiedlichen Materialien und nahezu allen Formaten. Banner, Informationstafeln und komplette Messeauftritte gehören dazu wie Fahrzeugbeschriftungen und der Textildruck. „Wir wollen den Markt komplett bedienen“, betont Geschäftsführer Axel Kneißler, „schon allein, um nicht in Abhängigkeiten zu geraten.“
Diese Vielseitigkeit erfordert regelmäßige Investitionen. Kneißler, der den Betrieb seit 1998 führt, hat schon früh auf digitale Technik gesetzt. Der erste Großformatdrucker dieser Art wurde 1999 angeschafft. Heute besteht der Maschinenpark unter anderem aus mehreren Digitaldruckern, einem Laminator zum Veredeln von Druckgütern und einer CNC-Fräse.
Zwölf Mitarbeiter sind aktuell im Unternehmen beschäftigt. Angesichts der guten Auftragslage könnten es durchaus mehr sein. Doch woher sollen die kommen? Der Betrieb bildet regelmäßig und erfolgreich aus. Mehrere Auszubildende haben es zum Kammer- und Landessieger gebracht. „Was die Bewerbungen angeht, befinden wir uns auf der Insel der Seligen, weil der Beruf so vielseitig ist“, sagt Kneißler. Dennoch fehlen Fachkräfte, denn die meisten Eigengewächse bleiben zwei, drei Jahre und wechseln dann zumeist in die Industrie. „Der klassische handwerkliche Berufsweg wird geringgeschätzt“, glaubt Kneißler.
Netzwerke statt Anzeigen
Thomas Oberle, Inhaber des Baiersbronner Lackierbetriebs, macht ähnliche Erfahrungen: „Deutsche Fachkräfte sind wirklich schwer zu finden.“ In absehbarer Zeit muss sich der Betrieb wieder auf die Suche begeben. Ein langjähriger Mitarbeiter und Spezialist für Karosseriearbeiten geht in den Ruhestand. Auf Stellenanzeigen wird Oberle vermutlich verzichten. Bessere Chancen verspricht er sich von der direkten Ansprache und seinem Netzwerk. „Ich setze auf persönliche Kontakte“, sagt der Maler- und Lackierermeister.
Der Lackierbetrieb führt sämtliche Arbeiten, vom Ausbessern kleiner Kratzer bis hin zu umfangreichen Reparaturen aus. Ein echtes Familienunternehmen: Ehefrau Andrea Oberle und die beiden Söhne, beide mit Meistertitel, sind ebenfalls im Betrieb tätig. Wichtig ist es Oberle, technisch am Ball zu bleiben, etwa mit den Lacken auf Wasserbasis, die bereits seit 2004 verarbeitet werden oder mit Klarlacken, die keine forcierte Trocknung mehr benötigen. Vor sechs Jahren ist der Karosseriebereich hinzugekommen und so mancher neue Kunde, darunter auch Oldtimer-Liebhaber. Die Qualität der Arbeiten hat sich rumgesprochen. „Empfehlungen sind das beste Marketing“, sagt Andrea Oberle.
Altersstruktur verändert sich
Die Lacker AG in Waldachtal plant, fertigt und realisiert anspruchsvolle Fassaden in Glas und Metall. Auf der Referenzliste stehen Bauten für den Sportwagenbauer Porsche, für den Zulieferer Knorr-Bremse oder die Erweiterung des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart. Von der ersten Skizze bis hin zur Montage werden sämtliche Leistungen im Haus erbracht. Auch die Entwicklungsarbeit kommt nicht zu kurz. Das 1964 als Schlosserei gegründete Unternehmen hält mehrere Patente. Die technischen, konstruktiven und gestalterischen Anforderungen seien hoch, erklärt Betriebsleiter Stefan Störzer. „Mehrfachisolierung, beheizbare Fassaden, gebogene Fronten und die Integration der Fenster in die zentrale Gebäudesteuerung sind Alltag.“
Mit der aktuellen Geschäftslage ist Vorstand Frank Lacker rundum zufrieden. Sorgen bereitet ihm etwas anderes: „Der Fachkräftemangel ist unser größtes Problem.“ Dies gelte für Konstruktionsmechaniker und Metallbauer in der Fertigung ebenso wie für Technische Zeichner im Planungsbereich. Lacker sieht die Ursache in der Konkurrenz zu großen Industrieunternehmen in der Region. Die Folge: obwohl regelmäßig ausgebildet wird, verändert sich die Alterstruktur im Betrieb drastisch. „In den nächsten Jahren verlassen uns Mitarbeiter, die wir noch nicht ersetzen können.“
Stellenanzeigen in Rumänien
Abschließend besuchte die Delegation die Schwarz Apparate- und Behälterbau GmbH in Dornstetten. Das in drei Bereiche gegliederte Unternehmen produziert Behälter, Tanks und Anlagen für die chemische und pharmazeutische Industrie, prüft Werkstoffe und ist im Stahlbau sowie der Oberflächentechnik tätig. Rund 60 Prozent der Aufträge kommen aus Deutschland, der Rest aus der Europäischen Union und den USA. Der Stammkundenanteil liegt bei 90 Prozent.
In den vergangenen Jahren haben Sonderanfertigungen an Bedeutung gewonnen. Künftig sollen vermehrt eigene Produkte hinzukommen. „Für uns heißt das mehr Konstruktion und mehr Dienstleistung“, erklärt Schwarz. Das hierzu erforderliche Personal finde er nicht auf dem heimischen Markt. Der sei „leergefegt“. Auf die letzte Stellenanzeige habe man zwei Bewerbungen erhalten. Der Ingenieur setzt deshalb vor allem auf Ausbildung, regelmäßige Schulungen und Qualifizierung. „Wir müssen unsere Fachkräfte selbst heranziehen.“
Darüber hinaus geht das Unternehmen auch neue Wege und hat bereits versucht, Arbeitskräfte im Ausland, etwa in Rumänien, zu rekrutieren. Ein Schweißer wurde jüngst in Spanien angeworben. Die Kosten für den Sprachkurs übernimmt Schwarz gerne. Was ihn ärgert ist der zeitaufwändige bürokratische Vorlauf. „Das ist ein Hemmnis für uns.“