12.02.2004

Bessere Rahmenbedingungen sind notwendig

"Die Grundidee zur Veränderung der Handwerksordnung - nämlich für mehr Selbständigkeit, Arbeits- und Ausbildungsplätze zu sorgen - wird sich allein auf Grund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht verwirklichen lassen", sagte Joachim Möhrle, Präsident der Handwerkskammer Reutlingen, anlässlich eines Pressegespräches zu den Veränderungen im Handwerksrecht.

Zwar habe es im Januar diesen Jahres zahlreiche Nachfragen nach Ausnahmebewilligungen nach neuem Recht gegeben; tatsächlich hätten aber nur 16 Personen Anträge gestellt, die an die zuständigen Regierungspräsidien Tübingen bzw. Karlsruhe weitergeleitet wurden.

Wichtigster Grund für die Zurückhaltung sei, so Möhrle, dass leitende Mitarbeiter größerer Betriebe mit unternehmerischen Entscheidungsbefugnissen die schlechte Konjunkturlage gut einschätzen könnten und sich einem unternehmerischen Risiko zurzeit nicht aussetzen wollten. In Kleinbetrieben falle es hingegen schwer, die vom Gesetzgeber geforderte sechsjährige Gesellentätigkeit - davon vier Jahre in einer leitenden Stellung - nachzuweisen.

Auch das Kleinbetriebsgesetz habe keine große Nachfrage ausgelöst. Vermutlich erkenne auch dieser Personenkreis, dass mit einer eingeschränkten handwerklichen Teiltätigkeit eine dauerhafte Existenzgrundlage nicht zu erwarten sei.

"Dennoch: Der Meisterbrief ist mit der jetzt verabschiedeten Handwerksordnung ausgehöhlt worden und zum Teil zu einem bloßen Verwaltungsakt degradiert worden", so Möhrle weiter. "Aber insgesamt eröffnet sich für die Handwerkskammer Reutlingen durch die novellierte Handwerksordnung ein neues Betätigungsfeld."

Gerade durch den Wegfall des Meisterbriefs als Zugangsvoraussetzung in 53 Berufen müssten Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten werden, damit Existenzgründer im Handwerk die notwendigen betriebswirtschaftlichen Kenntnisse erwerben könnten.

Möhrle sieht allerdings die große Gefahr, dass das Weiterbildungsangebot gerade im ländlichen Raum stark zurück gehen wird: "Wenn die Nachfrage nach einem Weiterbildungsangebot wie der Meisterprüfung zurückgeht, dann stellt sich für viele Weiterbildungsträger die Frage, ob sie ihr Angebot überhaupt noch aufrecht erhalten können."

Möhrle zeigte sich daher insgesamt enttäuscht über das Ergebnis des Vermittlungsausschusses: "Ich will in aller Deutlichkeit sagen, dass wir uns - gerade was das Kleinunternehmergesetz und die Anerkennung von Gesellenjahren unter dem Stichwort einer ‚geprüfte Qualifikation' angeht - entschieden mehr erwartet haben."

Wer sich künftig in den 41 Berufen der "Anlage A" selbständig machen will, benötigt auch weiterhin den Meisterbrief. Bei der Entscheidung von Bundestag und Bundesrat habe sich zumindest die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Handwerk eine unverzichtbare gesellschaftliche Leistung für die Nachwuchssicherung und die berufliche Qualifizierung in unserem Land erbringt.

Die hohe Ausbildungsleistung der Betriebe war und ist ein wesentlicher Maßstab für die Abgrenzung der Meisterberufe und nicht nur die von der Bundesregierung zunächst ins Spiel gebrachte Gefahrgeneigtheit. Ursprünglich hatte der Regierungsentwurf vorgesehen, die Zahl der Meisterberufe von 94 auf 29 zu beschränken.

Allerdings werden auch neue bürokratische Hürden aufgebaut, so Möhrle, und manche - für Außenstehende kaum nachvollziehbare Regelung - wird für das Handwerk selbst nicht förderlich sein.