Werben fürs Bäckerhandwerk: (v.l.n.r) Kreishandwerksmeister August Wannenmacher, Bäckermeister Thomas Koch, Regierungspräsident Klaus Tappeser, Isabell Koch, Kammerpräsident Harald Herrmann, der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Jürgen Greß und der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Reutlingen, Joachim Eisert

08.10.2018

In Sachen Ausbildung unterwegs: Gemeinsame Informationsreise von Handwerkskammer Reutlingen und Regierungspräsidium Tübingen

Harald Herrmann, Präsident der Handwerkskammer Reutlingen, Hauptgeschäftsführer Dr. Joachim Eisert und Regierungspräsident Klaus Tappeser nahmen sich einen Tag lang Zeit, um sich im Zollernalbkreis in ausgewählten Handwerksbetrieben über die Chancen und Herausforderungen beruflicher Bildung im Handwerk zu informieren. In ausführlichen Gesprächen konnten sie sich ein Bild davon machen, was Ausbildungsbetriebe beschäftigt.

Lob für die duale Ausbildung

Erste Station der Kreisbereisung war die Firma Andreas Gempper, Metall- und Stahlbau in Meßstetten. Dieser Besuch stand unter dem Motto: „Engagement in der Berufsausbildung zahlt sich für Betriebe aus“. Für Andreas Gempper, der zwei Auszubildende im Beruf Metallbauer, Fachrichtung Konstruktionstechnik be-schäftigt, sind seine Lehrlinge eine Anlage in die Zukunft. Dass er damit immer richtig fährt, zeigt auch, dass die Hälfte der bisher ausgebildeten elf Lehrlinge Preise gewonnen haben. Für die duale Ausbildung hat er nur lobende Worte parat: „Meine Stifte sind allesamt top ausgebildet und motiviert. Es hängt natürlich viel von der Person selber ab. Wenn ein junger Mensch keinen Ehrgeiz mitbringt, nützt die beste Ausbildung nichts“, so Andreas Gempper, der keine Probleme hat, Lehrlinge zu finden. „Praktikanten können wir das ganze Jahr über gebrauchen, viele bewerben sich im Nachhinein um eine Ausbildungsstelle. Etliche meiner Mitarbeiter sind ehemalige Lehrlinge, da weiß ich, was ich an ihnen habe.“ Laut einer aktuellen Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schützt eine Ausbildung, insbesondere die duale Aus- und Weiterbildung, ebenso gut vor Arbeitslosigkeit wie ein Studium.

Bäckerhandwerk muss attraktiver werden

Bei der Bäckerei Koch GmbH in Balingen-Engstlatt fand ein Gespräch mit Vertretern der Presse statt. Die Frage, warum sich Nahrungsmittelbetriebe bei der Suche nach Auszubildenden besonders schwer tun, wurde heftig diskutiert. Schwierigkeiten, Auszubildende zu bekommen, habe er nicht, so Bäckermeister Thomas Koch. Jedes Jahr machten zwischen drei und fünf junge Menschen eine Ausbildung zum Bäcker, Konditor oder Fachverkäufer. Doch prompt in diesem Jahr habe er noch keine Bewerbung als Bäcker erhalten. Die Arbeitszeiten als Grund, das Bäckerhandwerk nicht zu lernen, lässt Koch aber nicht gelten: „Als Schichtarbeiter am Band habe ich doch auch unregelmäßige Arbeitszeiten. Das Bäckerhandwerk hat es einfach versäumt, rechtzeitig Imagearbeit zu betreiben.“ Grund für den häufigen Abbruch der Ausbildung nennt Koch die Erlahmung des Arbeitswillens bei den heutigen Jugendlichen. Als reiner Familienbetrieb mit 50 Mitarbeitern und Familienanschluss, habe er zwar auch schon ein, zwei schlechte Erfahungen mit Auszubildenden gehabt, doch ansonsten alle Azubis übernommen.

Kommunikation ist der Schlüssel

Andreas Haug, Juniorchef der Erich Haug Maschinenbau GmbH & Co. KG, ebenfalls in Balingen-Engstlatt, kam mit seinem Auszubildenden, dem eritreischen Flüchtling Amanuel Teklay zum Pressegespräch hinzu. Denn wenn Betriebe kaum mehr Fachkräfte finden und junge Geflüchtete eine Bleibeperspektive suchen, sind pragmatische Lösungen von Nöten. So haben 139 Frauen und Männer aus so genannten „flüchtlingsrelevanten Ländern“ im Kammerbezirk eine Ausbildung im Handwerk begonnen. Das sind 6,8 Prozent der 2.050 Neuabschlüsse. Das reiche noch lange nicht, um den Fachkräftemangel zu beheben, aber es reicht, um ihn zu lindern, sagte Handwerkskammerpräsident Harald Herrmann. Andreas Haug fügt hinzu: „Mann muss jedem eine Chance bieten, wenn Können und Leistungswille passen. Dann ist es doch vollkommen egal, woher jemand stammt“. Doch so einfach ist es oftmals nicht: auch wenn Amanuel Teklay die praktische Ausbildung keine Probleme bereitet, ist es immer wieder das sprachliche Defizit, das ihn in der theoretischen Ausbildung zurückwirft. „Er versteht in der Berufsschule einfach zu wenig, oftmals traut er sich nicht, beim Lehrer nachzufragen, da er meint, damit die Klasse zu stören“, beschreibt Haug die Probleme seines Auszubildenden. Als einen Erfolgsfaktor wertet Haug die 3+2 Regel. Betriebsinhaber und Geflüchtete hätten nun die Gewissheit, dass während und nach einer Ausbildung fünf Jahre lang keine Abschiebung drohe. Und so werde er sich auch in Zukunft darum bemühen, Flüchtlinge auszubilden.

Abwandern der Fachkräfte in die Industrie

Abschließend besuchte die Delegation die Dieringer-Holzbau GmbH in Rangendingen. Mit insgesamt 17 Mitarbeitern, fünf Auszubildenden, darunter zwei Abiturienten, und einem Meister, verfügt Dieringer jetzt schon über ein starkes Team. Neue Kollegen, vor allem Zimmergesellen, werden dennoch händeringend gesucht. Iris und Daniel Dieringer – sie Bauingenieurin, Statikerin und Betriebswirtin, er Zimmermeister, Restaurator und Bauingenieur – leiten den 1952 gegründeten Betrieb gemeinsam seit 2016. Bis auf zwei Gesellen sind alle Mitarbeiter im Betrieb ausgebildet worden. Doch in der letzten Zeit, so klagt Daniel Die-ringer, wanderten viele Fachkräfte in die Industrie ab. Bei den "weichen" Faktoren wie einer hauseigenen Kita, einer Kantine oder einer ordentlichen Toilette, sei die Industrie entschieden besser aufgestellt. „Ich persönlich verstehe das, denn ab einen Alter von 50 Jahren muss bei uns ein Zimmermann langsam ans Aufhören denken“, gesteht er und formuliert den Wunsch, wieder mehr junge Leute ins Handwerk zu bekommen. Für das Ausbildungsjahr 2018/19 haben sie noch keine Bewerbung erhalten. „Lieber nehme ich Haupt- und Realschüler in die Lehre, als Abiturienten. Diese möchten nach der Lehre häufig studieren, doch in diesem Jahr wäre ich froh, es hätte sich überhaupt einer beworben“, beschreibt Iris Dieringer ihre Nöte. Derzeit besitzen knapp 15 Prozent der Auszubildenden im Handwerk Abitur, der Trend setzt sich fort.