Irritationen um Dämmpflicht
Laut Energieeinsparverordnung 2009 (EnEV) sollten bis zum Jahresende bislang ungedämmte oberste Geschossdecken in Altbauten nachträglich isoliert werden. Doch auch diese Regel kennt ihre Ausnahmen. Eine im Sommer veröffentlichte Auslegung der EnEV hebelt die Dämmpflicht praktisch aus.
Das Deutsche Institut für Bautechnik beschäftigt sich seit 2002 mit Auslegungsfragen zur EnEV und kürzlich auch mit der Frage, welches Dach als gedämmt gelten kann. Eine ausreichende Dämmung liege vor, so stellten die Experten in einer Veröffentlichung vom 27. Juni 2011 klar, wenn der Mindestwärmestandard nach DIN 4108 2:2003-07 erfüllt werde: „Davon kann nach den vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung am 30. Juli 2009 bekanntgemachten Regeln zur Datenaufnahme und Datenverwendung im Wohn- und Nichtwohngebäudebestand bei massiven Deckenkonstruktionen, die seit 1969 errichten wurden, und bei Holzbalkenkonstruktionen aller Baualtersklassen ausgegangen werden.“ Eine Präzisierung, die viele Hausbesitzer von der gesetzlichen Dämmpflicht und kostspieligen Investitionen befreit.
Veränderte Beratungsgrundlage
Fachbetriebe und Gebäudeenergieberater sahen sich unvermittelt dem Vorwurf der Falschberatung und der Panikmache ausgesetzt. Sie hatten Hauseigentümer bis zum Sommer auf der Grundlage der EnEV 2009 beraten, waren daher von einer Dämmpflicht für bestimmte Gebäude ausgegangen und hatten ihren Kunden entsprechend zur Umsetzung geraten. Mit der im Juni 2011 veröffentlichen Auslegung hat sich die Beratungsgrundlage verändert. Eine Verpflichtung besteht in vielen Fällen nicht mehr. Einige Hauseigentümer fühlten sich falsch beraten und machten ihrem Ärger Luft.
„Den Betrieben kann kein Vorwurf gemacht werden“, betont Dr. Gerd Kleiber, Umweltberater der Handwerkskammer Reutlingen, „denn sie haben nach der bis dahin geltenden Auffassung gehandelt.“ Das Bundesinstitut für Bautechnik habe die Dämmpflicht im Nachhinein hinein stark eingeschränkt und damit quasi ausgehebelt. Zwar handele es sich nicht um eine rechtlich bindende Regelung, doch Gerichte würden diese Auslegungen gerne heranziehen. Kleiber geht davon aus, dass die für 2012 geplante Novelle der EnEV die Dämmpflicht für obere Geschossdecken strenger und eindeutiger regeln wird.
Die aktuelle EnEV sieht bislang folgende Ausnahmen vor: Hausbesitzer, die im eigenen Gebäude mit bis zu zwei Wohneinheiten wohnen und das Haus vor dem 1. Februar 2012 bezogen haben, müssen nicht dämmen. Wer ein solches Haus nach diesem Stichtag erworben hat und selbst darin wohnt, kann sich bis Ende 2013 Zeit lassen. Darüber hinaus muss die Dämmung wirtschaftlich vertretbar sein. Die Dämmpflicht besteht nicht, wenn sich die Investition nicht „innerhalb einer angemessen Frist“ rechnet.
Grundsätzlich sind Bauherren und Eigentümer für die Einhaltung der EnEV-Anforderungen verantwortlich. Handwerker müssen die Bescheinigung, dass die Arbeiten den Vorgaben der EnEV entsprechend ausgeführt wurden, fünf Jahre aufbewahren. Die Baurechtsbehörden verzichten auf eine aktive Kontrolle der Unterlagen, da die Ausstattung der Bestandsgebäude den Ämtern nicht bekannt ist.
Ansprechpartner ist Dr. Gerd Kleiber, Abteilung Umwelt und Technik, Telefon 07121 2412-143, E-Mail.