Wirtschaft trifft Kommune bei Paul Horn: (v.l.n.r.) Markus Horn, Dr. Hans-Ernst Maute, OB Boris Palmer, Lothar Horn und Harald Herrmann. Foto: IHK Reutingen

05.03.2020

Wirtschaft trifft Kommune in Tübingen

Corona-Warnungen zum Trotz trafen sich Tübinger Unternehmerinnen und Unternehmer mit der Stadtspitze, um sich über aktuelle Themen wie Verpackungssteuer und städtische Klimastrategie auszutauschen.

Dass sich die Tübinger Verwaltung für ein sauberes Stadtbild einsetze, sei im Interesse der Betriebe, betonte IHK-Vizepräsident Dr. Hans-Ernst Maute vor rund 230 Gästen. In Richtung Oberbürgermeister Boris Palmer appellierte er dennoch: "Unternehmen sollten nicht mit Sonderabgaben belastet werden, für Müll sind alle zuständig." Der Oberbürgermeister warb hinsichtlich der Verpackungssteuer um Verständnis: „Der Verursacher des Mülls soll auch bezahlen." Maute lobte dennoch die guten Beziehungen zwischen der Stadt und den Betrieben. "Diese gute Praxis des Gehört-Werdens muss weiter gepflegt werden." Damit meinte er auch, dass die Firmen in den Tübinger Umweltschutz-Plan eingebunden werden. Der Energieverbrauch der Stadt soll bis 2030 ohne CO2-Belastung erfolgen. Aus Sicht Mautes gehöre nachhaltiges Wirtschaften ohnehin zum Selbstverständnis der heimischen Betriebe. "Es geht um mehr als pekuniäre Wirtschaftsinteressen."

Harald Herrmann, Präsident der Handwerkskammer Reutlingen, betonte die Rolle des Handwerks bei der Energiewende: "Energiewende geht ohne das Handwerk nicht, ich wage sogar zu behaupten, dass wir die Energiewende machen." Herrmann bemängelte aber die großen Hindernisse, die Handwerker regelmäßig bei Arbeiten innerhalb der Tübinger Altstadt oder in den Fußgängerzonen erfahren. Bei allen Verkehrskonzepten müssen praxisorientierte Umsetzungen unter den Gesichtspunkten von Dienstleistern und Zulieferer gewährleistet bleiben. Was die Verpackungssteuer angehe, so wünscht sich Herrmann flexiblere Handhabungsmöglichkeiten, beispielsweise von Kunden mitgebrachte und gereinigte Behältnisse wie Vesperboxen oder Tupperdosen, wären ein entscheidender Schritt zur Vermeidung von Verpackungsmüll. Denn die Vorgaben zur Lebensmittelhygiene erschweren es den Bäckern und Metzgern, einfache und möglichst sparsame Mehrwegverpackungen zu verwenden. Der Versuch, Pfandsysteme einzuführen, sei nur auf den ersten Blick eine Lösung. Das ginge in erster Linie zu Lasten der Betriebe, die die Pfandgebinde vor erneuter Befüllung reinigen müssten.

Boris Palmer nutzte die Chance, die anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmer zum Mitmachen bei der Klimawende aufzufordern: "Bauen Sie Photovoltaik-Anlagen auf Ihre Wirtschaftsgebäude, Strom vom Dach ist so billig wie nie". Eine weitere Maßnahme auf dem Weg zur Klimaneutralität könne sein, durch konsequente Parkraumbewirtschaftung kostenlosen Nahverkehr zu finanzieren und Autos aus der Innenstadt zu verbannen. Gleichzeitig beklagte er auch die "unheilige Allianz des Diesel-Betrugs" und der Fahrverbote seitens der Politik, die die Automobilindustrie massiv beschädigt hätte. Diskussionen rund um Fahrverbote wie in Reutlingen hält er für eine "totale Überreaktion". Gleiches gelte auch für den Umgang mit dem Corona-Virus. "Das ist reine Panikmache." Nicht nur die Wirtschaft leide darunter, wie Messeabsagen, Hotel-Stornierungen oder gestörte Lieferketten zeigen, sondern am Ende auch die Menschen selbst: "Die Leute haben Angst vorm Blut spenden. Das kostet Leben. Die Angst richtet mehr Schaden an, als das Virus selbst."