„Als ob jemand den Schalter umgelegt hätte“
Eva-Maria Haas aus Gomaringen hat sich ihren Kindheitstraum erfüllt: in ihrem eigenen Betrieb verknüpft die Sattler- und Feintäschnermeisterin ihr Handwerk mit ihrer Leidenschaft für Pferde und den Reitsport.
Seit 2010 arbeitet Haas im Vollerwerb. Der Start in die Selbstständigkeit liegt schon drei Jahre länger zurück. Haas entschied sich zunächst für die Nebenerwerbsvariante. Dreißig Stunden pro Woche arbeitete die passionierte Reiterin in einem Versandhaus für Reitsportbedarf. Nach Feierabend begann die zweite Schicht als Gründerin. „Ich hatte Angst, dass nicht genug verdienen würde und habe mir deshalb erst noch mal ein zweites Standbein gesucht“, sagt die 32-jährige.
Die Doppelbelastung forderte ihren Tribut. „Ich zerriss mich zwischen meinem Job und meinem eigenen Betrieb. Ich wurde immer häufiger krank und verlor den Spaß an der Arbeit“, erzählt sie. Irgendwann war klar: sie muss sich entscheiden! Ihr Steuerberater hatte große Bedenken und riet ihr davon ab, die sichere Anstellung zu kündigen. Aber Haas vertraute auf ihr Gefühl. Ganz wichtig waren in dieser Phase auch die Unterstützung und der Rückhalt der Familie. „Es war, als ob jemand einen Schalter umgelegt hätte“, sagt Haas rückblickend, „meine Kunden haben wohl nur darauf gewartet, dass ich mich ganz meiner Arbeit widmen kann.“
Netzwerke geknüpft
Über einen Mangel an Anfragen und Aufträgen kann sie sich seither nicht beklagen. Haas fertigt Sättel und Lederwaren für den Reit- und Fahrsport nach Maß an. Ob Anpassung, Aufpolsterung oder Neufertigung: jede Arbeit ist ein handwerklich hergestelltes Unikat. Zum Sortiment gehören ebenfalls Artikel für den Hundesport, Taschen, Kleinlederwaren und robuste Kinderkleidung.
Die meisten Aufträge kommen über Weiterempfehlungen von Kunden und die Kooperation mit Partnerbetrieben zustande. Die Gründerin besuchte in der Startphase zahlreiche Reitsportveranstaltungen und -messen, knüpfte Kontakte und baute sich ein Netzwerk auf. „Es ist wichtig, Präsenz zu zeigen“, sagt sie.
Auch heute noch ist Eva-Maria Haas viel unterwegs, beispielsweise um sich Pferd und Reiter genau anzuschauen. „Mancher Reiter ist ganz schön überrascht, wenn ich ihn bitte, doch mal den Pulli hochzuziehen, damit ich mir seine Statur und seinen Bewegungsapparat genauer anschauen kann“, schmunzelt sie. „Es ist aber ganz wichtig, dass der Sattel zur Anatomie von Pferd und Reiter gleichermaßen passt.“
Tipps vom alten Hasen
Ihr Wissen hat sich die Sattlerin über die Jahre erworben. „So was lernt man nicht in der Ausbildung oder auf der Meisterschule“, sagt die Landessiegerin und Bundesdritte beim Leistungswettbewerb des Jahres 2005 lachend. „Am Anfang macht man natürlich auch mal Fehler – das gibt sich aber mit der Zeit, und man wird immer sicherer.“
Wichtig sei auch der Austausch mit Kollegen. So hält sie noch heute regen Kontakt zu einem mittlerweile 86-jährigen Sattlermeister, der ihr als „alter Hase“ bereits so manchen guten Tipp gegeben hat.
Nach ihrem Erfolgsrezept gefragt, wird Eva-Maria Haas verlegen: „Ich weiß nicht“, sagt sie. „Vielleicht merken meine Kunden, dass ich mit Leidenschaft bei der Arbeit bin.“
Zukunftspläne hat die Sattlermeisterin natürlich auch: „Es wäre schön, wenn ich das alte Haus meiner Oma, in dem ich jetzt meine Werkstatt und meine Ausstellung eingerichtet habe, renovieren könnte. Ich möchte mir so gern den Traum vom Leben und Arbeiten unter einem Dach erfüllen.“