Bekenntnis zum dualen Ausbildungssystem
"Anders als viele andere Länder in Europa ist Deutschland ein Ausbildungsland geblieben. Auch deswegen haben wir eine niedrige Arbeitslosigkeit", sagte Joachim Möhrle, Präsident der Handwerkskammer Reutlingen, beim gemeinsamen Neujahrsempfang von Handwerkskammer und IHK in der neuen Stadthalle in Reutlingen. Er forderte von der Landesregierung ein eindeutigeres Bekenntnis zur dualen Ausbildung.
An die Adresse von Finanz- und Wirtschaftsminister Dr. Nils Schmid – dem Festredner des Neujahrsempfangs – gerichtet führte Möhrle vor über 700 geladenen Gästen aus Politik und Wirtschaft weiter aus, dass der Beitrag des beruflichen Bildungswesens im politischen Handeln nicht ausreichend gewürdigt werde.
„Wenn Kinder von Akademiker-Eltern, die einen Handwerksberuf erlernen, als Bildungsabsteiger kategorisiert werden, dann ist das diskriminierend und zeugt von einer inakzeptablen Voreingenommenheit gegenüber der Erziehungs- und Bildungsbedeutsamkeit der beruflichen Bildung.“ Möhrle dankte Minister Schmid aber auch ausdrücklich für die Unterstützung seines Ministeriums bei der „Überbetrieblichen Ausbildung“ in der Tübinger Bildungsakademie der Handwerkskammer.
„Karriere mit Lehre“
Auf die Schulpolitik bezogen führte Möhrle aus, dass das Handwerk bei der Suche nach guten Auszubildenden mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen habe. So komme es mit seinen vielen Möglichkeiten zu einer „Karriere mit Lehre“ an Gymnasien und vielen Realschulen quasi nicht vor.
Mit der Bildungsplanreform habe die Landesregierung nun aber die Möglichkeit, eine mit allen Fächern verzahnte, durchgehende und verpflichtende Berufsorientierung zu schaffen, die neben dem Studium auch den Weg in die duale Berufsbildung aufzeige.
Keine Steuererhöhung
Eine Absage erteilte Möhrle ganz entschieden Forderungen nach einer höheren Erbschaftsteuer, einer Vermögensabgabe oder einem höheren Spitzensteuersatz. Von diesem wären nicht nur viele besser verdienende Facharbeiter, sondern auch ein großer Teil der als Personengesellschaft organisieren Betriebe betroffen. Wer diesen Betrieben an die Substanz gehe, der brauche sich nicht zu wundern, wenn sie nicht mehr investierten. Mit neuen Steuern würde letztendlich die Kuh geschlachtet, die Milch gibt.
Rundfunkabgabe evaluieren
Kritik übte Möhrle auch an der aktuellen Praxis einer Rundfunkabgabe. Zwar sei es gelungen, eine Mehrbelastung zumindest für kleinere Betriebe zu verhindern bzw. zu begrenzen. Allerdings kämmen größere Belastungen auf mittelgroße Unternehmen mit zahlreichen Fahrzeugen und auf Unternehmen mit zahlreichen Filialen zu.
Er forderte deshalb die Landesregierung auf, die Zusage zu einer zeitnahen Evaluierung des neuen Systems sehr ernst zu nehmen. Der Finanzierungsanteil der Wirtschaft müsse auch zukünftig insgesamt auf dem bisherigen Niveau begrenzt und gerecht verteilt werden. Nur so sei die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei den Unternehmen auf Dauer zu sichern.