24.07.2008

Erbschaftssteuermodell für Handwerk ein Erfolg - Sommervollversammlung der Handwerkskammer Reutlingen

Mittelstandspolitik gleicht dem sprichwörtlichen Bohren dicker Bretter. Wenn es um die Lage des Handwerks geht, dann liegen Licht und Schatten nahe beieinander. Das wurde an den Beispielen aktueller landes- und bundespolitischer Themen deutlich, die Präsident Joachim Möhrle bei der Sommervollversammlung der Handwerkskammer Reutlingen aufgriff.

„Wenn nach dem aktuellen Stand der Beratungen künftig 95 bis 98 Prozent aller Handwerksbetriebe von der Erbschaftssteuer verschont bleiben, dann haben wir wirklich ein akzeptables Ergebnis erreicht,“ sagte Möhrle. Schließlich ermögliche die Kombination aller Freibeträge und Abschläge unter anderem die erbschaftssteuerfreie Übergabe eines Betriebes an Ehegatten bis zu einem Betriebsvermögen von 3,5 Millionen Euro oder an Kinder bis zu 2,75 Millionen Euro.

Dennoch mussten die Handwerksorganisationen für diese Position zuletzt auch Kritik aus den eigenen Reihen einstecken. Denn während die vorgelegte Lösung von der Industrie heftig attackiert wurde, fiel die Kritik des Handwerks vergleichsweise moderat aus. Manchem Handwerker etwas zu moderat. Möhrle äußerte Verständnis für diejenigen, die eine ersatzlose Streichung der Erbschaftssteuer fordern, gab aber zu bedenken: „Selbstverständlich wird man von der Politik gefragt, wie dieser Steuerausfall gegenfinanziert werden soll.“

Die Kompensation über eine nochmalige Erhöhung der Mehrwertsteuer, wie sie von der Politik vorgeschlagen werde, lehnt Möhrle deshalb strikt ab. Er erinnert an die Auswirkungen der letzten Steuererhöhung. Wenn weiter an dieser Steuerschraube gedreht würde, hätte dies für das endverbraucherorientierte Handwerk verheerende Konsequenzen. Angesichts der steigenden Energiepreise müssten jetzt schon viele Haushalte den Gürtel immer enger schnallen.

Dennoch werde das Handwerk selbstverständlich auf weitere Verbesserungen drängen, um die Erbschaftssteuer noch mittelstandsfreundlicher auszugestalten. Dazu gehöre unter anderem, die Behaltensfrist von 15 auf zehn Jahre zu senken und das "Alles-oder-Nichts-Prinzip" während dieser Frist aufzugeben. Denn das würde bedeuten, dass derjenige, der im neunten Jahr die Bedingungen für die Steuerverschonung nicht mehr erfülle, gleich behandelt werde wie derjenige, bei dem dies schon nach einem Jahr nicht mehr der Fall sei. Wenn also ein Betrieb nach sechs von zehn Jahren schließen müsse, dann sollten künftig nur noch vier Zehntel der Erbschaftssteuer fällig werden.

Kritik an Gesundheitsfonds

Mit Sorge sieht das Handwerk dem Start des Gesundheitsfonds entgegen. Möhrle kritisierte daher auch deutlich die Entwicklung der Krankenkassenbeiträge. Allein die Honorarsteigerungen, die die Gesundheitsministerin den Ärzten im Mai zugesprochen hatte, um diese Klientel trotz Gesundheitsreform gütig zu stimmen, hätten Mehrkosten in Höhe von 2,5 Milliarden Euro zur Folge. Diese Summe müsse nun von der Versichertengemeinschaft abgefangen werden.

Das habe auch Auswirkungen auf die handwerksnahen Versicherungen wie die Innungskrankenkasse Baden-Württemberg und Hessen (IKK). Der Beitragssatz musste bereits zum 1. Juli 2008 um 0,8 Prozentpunkte auf 14,4 Prozent angehoben werden. Mit der Einführung des Gesundheitsfonds sei ein Beitragssatz von 15,7 Prozent wahrscheinlich. Vor allem sei der Weg zu größeren Einheiten, wie sie die Politik offensichtlich wünsche, aus Sicht des Handwerks keine Lösung, so Möhrle. Sein Urteil über den Gesundheitsfonds fiel eindeutig aus: „Ein weiterer Schritt hin zur Staatsmedizin.“

Ein weiteres Thema angesichts der demografischen Entwicklung und der steigenden Zahl von Kleinstbetrieben im Handwerk sei die Rentenversicherungspflicht für Selbstständige. „Zahlreiche dieser Unternehmer schaffen es nicht, ausreichend für ihre Alterssicherung vorzusorgen“, sagte Möhrle. Es gebe deshalb Überlegungen, ähnlich der Versorgungswerke der Ärzte und Anwälte eigenständige Lösungen für diese Handwerkergruppe einzurichten.