Fabrik als Vorbild
MTS aus Hayingen macht aus Baggern flexible Produktionsmaschinen und sorgt so für mehr Effizienz im Tiefbau. Im November wurde der Automatisierungsspezialist mit dem Innovationspreis des Landes ausgezeichnet.
Ein Dosenöffner, ein Schlitzschraubendreher, eine Ahle und eine Klinge – diese vier Werkzeuge vereinigte das Ur-Modell des Schweizer Messers. Rainer Schrode, Gründer und Geschäftsführer der MTS Gesellschaft für Maschinen- und Sonderbauten mbH in Hayingen, hat dieses Prinzip erfolgreich auf den Tief- und Straßenbau übertragen. Natürlich passen die dort eingesetzten Werkzeuge nicht zwischen zwei handliche rote Griffschalen, dafür aber umso besser an den Ausleger eines Baggers.
Die ersten Erfahrungen mit großen Baumaschinen sammelte Schrode Anfang der 90er Jahre in der Forstwirtschaft. 1994 folgte die Gründung des eigenen Bauunternehmens. „Mir war es immer wichtig, Verfahren und Abläufe in Frage zu stellen“, erklärt der Meister im Straßenbauerhandwerk sein Selbstverständnis. Hinzu komme, wie in anderen Branchen auch, ein steigender Kostendruck, der Bauunternehmen dazu zwingt, zu rationalisieren.
Schwäbischer Tüftler
Die Entscheidung, anspruchsvolle Automatisierungstechnik zu entwickeln und damit in den Maschinenbau einzusteigen, bleibt dennoch ungewöhnlich. Schrode ist Praktiker durch und durch, bringt eine ordentliche Portion Tüftlergeist mit und verfügt über genügend Mut und Tatkraft, neue Wege zu gehen. Auch im elften Jahr des Bestehens der MTS sieht sich Schrode nach wie vor als Quereinsteiger: „Im Grunde bin ich ein Bauigel, den es juckt, die Fabrik Baustelle zu optimieren.“
Die Idee: Eine breite Palette von schnell austauschbaren Werkzeugen, die mittels eines hydraulischen Wechseladapters vom Bagger aus betrieben werden können. Schrode und sein Team entwickelten Ende der 90er Jahre ein ressourcenschonendes Verfahren zur Bodenaufbereitung, bei dem der wertvolle Baustoff unmittelbar nach dem Aushub und der Bearbeitung wieder eingebaut werden kann. Der Kostenvorteil beträgt bis zu 40 Prozent. Weil der Transport auf die Deponie entfällt, sinkt der CO2-Ausstoß um rund 80 Prozent. „Wir hatten uns recht früh den Ruf einer innovativen Firma erarbeitet“, sagt Schrode im Rückblick.
Vom Bagger zum Allrounder
Dies gilt auch für den Anbauverdichter, der mit dem Landesinnovationspreis 2011 ausgezeichnet wurde. Der Verdichter kann mit sechs verschiedenen Grundplatten bestückt werden, der Wechseladapter ist mit allen Baggerklassen kompatibel und ermöglicht hohe Flexibilität und kurze Umrüstzeiten. Der Werkzeugwechsel, das Trennen und Andocken, kann vollständig von der Fahrerkabine aus gesteuert werden. Das Ergebnis: Mehr Produktivität. „Bislang lag der Auslastungsgrad eines Baggers bei 60 Prozent, nun erreichen wir bis zu 90 Prozent“, erklärt Schrode.
Das komplette System ist seit rund sieben Jahren im Angebot. Sein Marktanteil beträgt mittlerweile rund 75 Prozent. Pro Jahr werden rund 1000 Bagger mit MTS-Technik ausgestattet. Diese Erfolgsgeschichte wäre ohne das Bauunternehmen kaum möglich gewesen, betont Schrode. „Die Baufirma gab uns einerseits den notwendigen finanziellen Spielraum. Gleichzeitig hatten wir den idealen Partner quasi im Haus, um unsere Geräte unter realen Bedingungen zu testen und vorzuführen.“
Die Investitionen im Vorfeld seien enorm, so Schrode. MTS hat seine Forschungs- und Entwicklungsarbeit ausgebaut und beteiligt sich zurzeit an einem Bundesprojekt zur Erprobung drahtloser Sensorennetzwerke. Beim Technologietransfer sieht Schrode noch einigen Verbesserungsbedarf: „Häufig entwickeln Forscher etwas, von dem wir Praktiker nichts wissen.“ Es fehle das Verbindungstück zwischen Theorie und Praxis.
Alles aus einer Hand
Der Austausch mit Praktikern großgeschrieben. In Hayingen stehen rund 7000 Quadratmeter Demonstrationsfläche zur Verfügung. Im kommenden Jahr entsteht ein neues Schulungszentrum. Das Programm der MTS-Akademie – von der Anwenderschulung über Fachtagungen zum Thema Tiefbau bis hin zum Bau- und Vergaberecht – richtet sich an Anwender wie Entscheider. Die Seminarteilnehmer kommen überwiegend aus dem süddeutschen Raum. „Ein Angebot, das für ein Unternehmen unserer Größe einmalig ist“, unterstreicht Schrode.
Die Planungen für eine neue Produktionshalle mit CNC-Bearbeitungszentrum sind bereits abgeschlossen. Auch die Belegschaft soll weiter aufgestockt werden. 55 Mitarbeiter sind es heute, bis Ende des Jahrzehnts sollen es 80 sein. Das Problem Fachkräftemangel kenne er nicht, sagt Schrode. MTS gelte als attraktiver Arbeitergeber, ergänzt Sonja Centento, für PR und Marketing zuständig. „Im Anschluss an unseren Tag der offenen Tür gingen zehn Bewerbungen bei uns ein.“
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