08.06.2009

Finanzkrise als Vorwand: Risikoverschiebung zulasten kleinerer Handwerksbetriebe

Die Handwerkskammer Reutlingen hat sich in einem Brief an die Bundestagsabgeordneten aus den Landkreisen Freudenstadt, Reutlingen, Sigmaringen, Tübingen und Zollernalb gewandt und gefordert, der für den 17. Juni 2009 geplanten erneuten Änderung des Gesetzes über die Sicherung von Bauforderungen nicht zuzustimmen.

„Wieder einmal wird die Krise als Vorwand dafür genommen, gerade kleinere Handwerksbetriebe mit einem höheren Risiko zu belasten und Großfirmen zu entlasten“, meint Dr. Joachim Eisert, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Reutlingen.

Der Hintergrund dieses zugegebenermaßen nicht einfach zu vermittelnden Vorgangs: Am 1. Januar dieses Jahres ist das Forderungssicherungsgesetz nach siebenjährigem Kampf des Handwerks in Kraft getreten, mit dem eine Selbstverständlichkeit festgeschrieben werden sollte: Handwerker sollten ihre berechtigten Forderungen einfacher und schneller durchsetzen können, und das Risiko handwerklicher Subunternehmer sollte im Falle einer Insolvenz des Bauträgers oder Generalunternehmers erheblich reduziert werden.

Ein Teil dieses Gesetzespaketes – das Bauforderungssicherungsgesetz – soll jetzt nach nur wenigen Monaten wieder zulasten von kleineren Betrieben zurück genommen werden. Als Argument wird ein zusätzlicher Liquiditätsbedarf der Wirtschaft angeführt: Die Verwendung von Baugeld soll künftig nicht nur innerhalb einzelner Bauvorhaben, sondern zur Finanzierung verschiedener Baustellen erlaubt sein. Auftraggeber – also Bauträger oder Großfirmen des Baugewerbes –, die sich in einer wirtschaftlichen Schieflage befinden, können mit einem weiteren unterfinanzierten Bauvorhaben den Finanzbedarf zeitlich früherer Bauprojekte befriedigen. Eisert: „Unseriöse Auftraggeber könnten sogar in einem schneeballsystem-ähnlichen Verfahren Baugeld systematisch dazu verwenden, Auftragnehmer aus früheren Bauvorhaben zu befriedigen – und damit möglicherweise Handwerker in anderen Bauvorhaben gefährden.“

Die aktuelle Regelung sieht anders aus: Wenn ein Auftraggeber für ein bestimmtes Bauvorhaben Baugeld erhält, sind die Handwerksbetriebe dieser Baustelle durch die jetzige Fassung des Bauforderungssicherungsgesetzes geschützt. Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzende von Bauträgergesellschaften müssen darauf achten, dass Werklohnforderungen der von ihnen beauftragten Bauhandwerker bezahlt werden, weil ihnen sonst im Falle der Insolvenz ihrer Firma sowohl die persönliche zivilrechtliche als auch eine strafrechtliche Haftung droht.

Eisert: „Durch die jetzt geplante Neuregelung wird das Risiko handwerklicher Subunternehmer, im Falle einer Insolvenz des Bauträgers oder Generalunternehmers Zahlungsausfälle zu erleiden, erneut deutlich erhöht. Wir fordern daher die Bundestagsabgeordneten in unserem Kammerbezirk auf, diesem mittelstandsfeindlichen Rollback die Stimme zu verweigern.“