Geplante Reform der Rundfunkfinanzierung fällt beim Handwerk durch
Geplante Reform der Rundfunkfinanzierung fällt beim Handwerk durch Das Handwerk gibt der geplanten Reform der Rundfunkfinanzierung schlechte Noten. „Wir sind sehr verärgert über dieses neue und teure Bürokratiemonster“, sagte Präsident Joachim Möhrle bei der Wintervollversammlung der Handwerkskammer Reutlingen. Möhrle rechnet mit durchschnittlichen Mehrkosten in Höhe von 150 Prozent pro Unternehmen und einem deutlich höheren Verwaltungsaufwand.
Die Höhe der Rundfunkgebühr soll ab 2013 nach der Zahl der Betriebsstätten, der Fahrzeuge und der Arbeitskräfte ermittelt werden. Die geplante Abkehr von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr sei im Grundsatz richtig, betonte Möhrle. Doch während bei Privathaushalten eine transparente und unbürokratische Beitragserhebung erreicht werde, trete bei der Wirtschaft faktisch das Gegenteil ein.
Nach einer Umfrage der Handwerkskammer und des Baden-Württembergischen Handwerkstags würden über 92 Prozent der Handwerksbetriebe ab 2013 mehr bezahlen. Auf durchschnittlich 413 Euro pro Jahr und Betrieb beliefen sich die Mehrkosten, so Möhrle, eine Steigerung um 150 Prozent. Hinzu komme, dass das komplizierte Berechnungsverfahren kleine Betriebe benachteilige. So müsste ein Bäckereibetrieb mit mehreren Filialen und zahlreichen Teilzeitkräften künftig je Arbeitsplatz ein Vielfaches von dem bezahlen, was bei Großunternehmen fällig wäre. „Mittelstandsförderung sieht anders aus“, kritisierte Möhrle.
Auch ein anderes Ziel der Reform, nämlich der geringere Kontrollaufwand, wird nach Einschätzung der Handwerkskammer eindeutig verfehlt. Zumal wichtige Kriterien der Gebührenerhebung, wie die Definition der Betriebsstätte, immer noch ungeklärt seien. „Ab 2013 werden Betriebe verstärkt in den Fokus der GEZ-Fahnder geraten“, erwartet denn auch Möhrle. Dabei könnte eine abgespeckte Kontollbürokratie zu deutlichen Einsparungen der Rundfunkanstalten und im Ergebnis zu niedrigeren Rundfunkgebühren für alle Kunden führen.
Handwerk erzielt Teilerfolg bei künftigen Wertgrenzen
Ungeteilte Zustimmung des Handwerks findet hingegen die Entscheidung der Landesregierung, die im Rahmen der Konjunkturpakete erhöhten Wertgrenzen bei öffentlichen Vergaben bis Ende 2011 zu verlängern. Die niedrigeren Vergabewertgrenzen der neuen VOB werden somit in Baden-Württemberg erst 2012 in Kraft treten. Der Handwerkstag hatte sich in Abstimmung mit dem Gemeindetag erfolglos für eine Verdoppelung sämtlicher Wertgrenzen eingesetzt. Zumindest hinsichtlich der freihändigen Vergaben auf kommunaler Ebene sieht Möhrle derzeit gute Chancen, eine mittelstandsfreundlichere Regelung fortzuschreiben. „Hier zeichnet sich ein Kompromiss ab, der durchaus als Teilerfolg des Handwerks gewertet werden kann.“
Im Anschluss ging Möhrle auf das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 ein. Er unterstrich die Bedeutung des geplanten Ausbaus der Verbindung Stuttgart-Ulm für das gesamte Land. Die Einbindung des Schienenwegs in das künftige europäische Hochgeschwindigkeitsnetz entscheide nicht zuletzt auch über die Qualität der Wirtschaftsstandorte und die Entwicklungspotenziale der einzelnen Regionen. „Wir dürfen nicht riskieren, dass Baden-Württemberg eines Tages im Verkehrsschatten liegt“, mahnte Möhrle.
Nachbesserungen an einzelnen Bausteinen will Möhrle nicht ausschließen. Allerdings dürfe die zeitnahe Realisierung nicht gefährdet werden. Bei Stuttgart 21 handele es sich um ein Projekt, das über viele Jahre von Experten geplant, in Genehmigungsprozessen geprüft, gerichtlich kontrolliert und parlamentarisch verabschiedet worden sei. „Eine parlamentarische Demokratie ist auf die Verlässlichkeit ihrer Entscheidungen angewiesen“, betonte Möhrle. Dies gelte nicht nur für Stuttgart 21, sondern ebenso für andere notwendige große Infrastrukturprojekte im Bereich der Energienetze und der Verkehrswege.
Der Vorstand der Handwerkskammer Reutlingen hatte bereits im Oktober öffentlich Stellung zum Bahnprojekt Stuttgart 21 bezogen. Der Beirat des Baden-Württembergischen Handwerkstages hat sich vor wenigen Tagen mehrheitlich für das Vorhaben ausgesprochen.