22.10.2009

Gut gemeint, aber am Ziel vorbei

Energie sparen fängt in den eigenen vier Wänden an. Deshalb unterstützt das Handwerk die Europäische Kommission in ihrem Vorhaben, neue Standards zur Gebäudeenergieeffizienz festzulegen. Doch Brüssel will noch mehr regeln, und dies könnte ausgerechnet für die Energiefachleute im Handwerk zum Problem werden. „Ist ein Heizungsbauer ein schlechter Berater, nur weil er auch neue Anlagen einbaut?“, fragt sich Dr. Joachim Eisert, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Reutlingen.

Die Europäische Kommission schlägt nämlich vor, dass die Aussteller von Gebäudeenergieausweisen neben ihrer Qualifikation künftig auch ihre Unabhängigkeit nachweisen müssen. Was auf den ersten Blick nach mehr Verbraucherschutz aussieht, entpuppt sich nach Eiserts Einschätzung als eine in der Praxis nicht erfüllbare Anforderung. „Diese gut gemeinte Regelung hätte fatale Folgen für alle Handwerker, die sich in den vergangenen Jahren zu Energieberatern fortgebildet haben“, befürchtet Eisert.

Denn bei strenger Auslegung könnte Installateuren, Stuckateuren und Dachdeckern stets ein Interesse am Ergebnis ihrer Analysen und Modernisierungsempfehlungen unterstellt werden. Mit der Konsequenz, dass ein zur Ausstellung von Energieausweisen zugelassener Stuckateur eben alles tun darf, nur nicht die Fassade eines Altbaus unter die Lupe nehmen und dem Hauseigentümer zu einer verbesserten Dämmung raten.

Eisert sieht die Befürchtungen auf europäischer Ebene durch die praktischen Erfahrungen in Baden-Württemberg längst widerlegt. Er verweist auf den EnergieSparCheck (ESC), ein gefördertes Beratungsprogramm des Umweltministeriums und des Handwerkstages. „Die Rückmeldungen der Kunden bescheinigen den Energieberatern eine hohe Beratungsqualität und ein hohes Maß an Neutralität“, betont Eisert.

Nicht jeder kann ESC-Berater werden. Für Handwerker der Bau- und Ausbaugewerke ist neben dem Meisterbrief die Fortbildung zum „Gebäudeenergieberater (HWK)“ vorgeschrieben. Eben jenes Qualifikationsprofil, das in der Energiesparverordnung des Bundes für Aussteller von Energieausweisen vorgesehen ist. Darüber hinaus muss für den ESC eine schriftliche Verpflichtung der Energieberater vorliegen, gewerkübergreifend und neutral zu beraten. Sämtliche Unterlagen müssen beim Baden-Württembergischen Handwerkstag in Stuttgart eingereicht werden.

„Unser Modell hat sich in den vergangenen zehn Jahren bestens bewährt“, sagt Eisert. 2008 war das landesweite Programm mit 3.558 Energiesparchecks erstmals weit überzeichnet. Davon profitiere der Verbraucher ebenso wie der Klimaschutz. Sollte der EU-Richtlinienentwurf in der aktuellen Form realisiert werden, könnte dies zu einer Ausgrenzung der Handwerker und damit zu einer Verknappung des Angebots an qualifizierten Beratern führen. Dies passe letztlich nicht zu den energiepolitischen Zielen der EU, meint Eisert. Sein Fazit: „Wenn wir beim Klimaschutz vorankommen wollen, brauchen wir mehr Energieberatungen und Sanierungen und weniger gut gemeinten Verbraucherschutz.“