Muhammad Ahsan Atif kennt sich aus mit moderner Fahrzeugtechnik und bringt viel Erfahrung mit. Thomas Armbruster will seinen neuen Auszubildenden beim Neubeginn in Deutschland unterstützen.

08.01.2016

Herr Atif beginnt von vorn

In seiner Heimat Pakistan arbeitete er bereits bei Porsche und Audi und brachte es zum Assistant Service Manager. Das war in Karatschi und vor seiner Flucht. Heute drückt Muhammad Ahsan Atif wieder die Schulbank. Im September hat der 34-Jährige seine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker begonnen.

"Er ist ein Glücksfall", sagt Thomas Armbruster, kaufmännischer Leiter des Menton Automobilcenters in Reutlingen. Er hält große Stücke auf seinen neuen Auszubildenden, nicht nur der fachlichen Qualifikationen wegen. "Wir waren bereits während des Praktikums von seinem Interesse, seinem Einsatzwillen und seiner Hilfsbereitschaft begeistert", sagt Armbruster. Der Kontakt kam 2014 auf Vermittlung eines Lehrers zustande. Atif besuchte damals einen Sprachkurs beim Internationalen Bund, an den sich ein Betriebspraktikum anschloss – und überzeugte fachlich wie auch persönlich.

Zwei Jahre zuvor war er nach Deutschland gekommen. Atif gehört den Ahmadiyya Muslimen an, einer Glaubensgemeinschaft, die nach einem Beschluss des pakistanischen Parlaments im Jahr 1974 als nicht-islamisch gilt und seitdem im öffentlichen Leben diskriminiert wird. Über Gießen und Karlsruhe kam er schließlich nach Reutlingen.

Beruf und Sprache lernen

Die Ausbildung ist ein Neustart auf vertrautem Terrain. Zwar hätte der Vater es gerne gesehen, wenn sein Sohn in seine Fußstapfen getreten und ebenfalls Bauingenieur geworden wäre, erklärt Atif. Seine Leidenschaft habe aber eben schon immer Automobilen gegolten. Atif entschied sich für eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, legte eine Technikerprüfung ab, absolvierte erfolgreich ein Bachelor-Studium und arbeitete mehr als fünf Jahre in Porsche- und Audi-Niederlassungen. Da aber die in Pakistan erworbenen Abschlüsse nicht den deutschen Qualifikationsstandards entsprechen, muss er nochmals von vorne beginnen.

Das erste Ausbildungsjahr verbringen angehende Kfz-Mechatroniker hauptsächlich in der Berufsfachschule. Vier Tage die Woche geht Atif auf die Steinbeis-Schule in Reutlingen, einen Tag lernt er im Betrieb. „Mathe, Technik und Metallbearbeitung sind kein Problem“, sagt Atif. Mit praktischen Aufgaben komme er meist schneller klar als seine jüngeren Mitschüler. Das fachliche Know-how über den Aufbau und die Funktionsweise eines Motors und seine elektronischen Steuerung bringt er ohnehin mit. Anders sieht es mit den deutschen Fachbegriffen aus. Zwar helfen Lehrer, Mitschüler und Kollegen, versuchen es mit Umschreibungen oder wechseln wenn möglich ins Englische. Doch das Tempo in Schule und Betrieb sei momentan noch einfach zu hoch für ihn, sagt Atif.

Extraschichten am Abend

„Die Sprache ist die eigentliche Hürde“, ist Armbruster überzeugt. Sie sei die Voraussetzung für die Ausbildung und die Berufstätigkeit. Zwar habe Atif in den vergangenen zwei Jahren an vielen Kursen teilgenommen, dennoch sei es schwierig für ihn, in der Berufsfachschule mitzuhalten. „Große Probleme bereiten die Fachbegriffe, mit denen sich er sehr schwer tut“, so Armbruster.

Aus diesem Grund stehen für Atif zurzeit Doppelschichten an. Nach Feierabend besucht er einen Deutschkurs an der Volkshochschule Pfullingen oder paukt daheim Vokabeln. Das Smartphone ist dabei eine praktische Lernhilfe, die im Fall der Fälle Texte scannt und gleich noch die englische Übersetzung liefert. Im Februar steht die nächste Deutschprüfung an. Wenn alles glatt geht, wird Atif dann das B1-Niveau erreicht haben. Die Gemeinsame Europäische Referenzrichtlinie attestiert den Absolventen „eine selbständige Sprachverwendung in klarer Standardsprache“. Begriffe wie Hebebühne, Zylinderkopfdichtung oder Messfühler gehören nicht dazu. Die muss Atif sich zusätzlich erarbeiten.

Faible für Elektronik

Dass er die Herausforderung meistern will, daran lässt Atif keinen Zweifel. Schließlich liegen die Zeiten, in denen er aus Angst, die Wörter könnten fehlen, sich stundenlang auf wichtige Gespräche vorbereitete, lange hinter ihm. Und auch der Start in die Ausbildung lief erfolgreich. Im Betrieb arbeitet er bereits mit einem Spezialisten für Elektronikdiagnose zusammen und löst anspruchsvolle Aufgaben. „Herr Atif ist interessiert und motiviert, fragt und fordert ein“, lobt Armbruster seinen Auszubildenden und fügt hinzu: „Das habe ich in den vergangenen Jahren selten erlebt.“ Eine Lehrzeitverkürzung ist möglich, auch ein Gespräch über die Weiterbildungsmöglichkeiten, etwa zum Service-Techniker oder zum Meister, hat bereits stattgefunden. „Ich versuche immer, den nächsten Schritt im Blick zu behalten“, sagt Atif selbstbewusst.

„Wir wollen, dass er nach der Ausbildung bei uns bleibt“, unterstreicht Armbruster. Dennoch könnten die nächsten Monate zur Hängepartie werden. Über Atifs Asylantrag ist noch nicht entschieden. Seine Aufenthaltsgestattung gilt für die Dauer der Berufsfachschule und muss zu Beginn des zweiten Lehrjahres bei der Ausländerbehörde neu beantragt werden. Armbruster hält diese Rechtslage für „eigentlich unzumutbar“. „Uns fehlt die Planungssicherheit. Wir haben schon sehr viel Zeit in die Ausbildung investiert. Und Herr Atif kann sich nicht voll auf seinen Start in den Beruf konzentrieren.“

Die Wünsche für das neue Jahr: Atif will gute Arbeit im Beruf abliefern und die Sprache besser lernen. An der Unterstützung seines Ausbildungsbetriebs wird es nicht fehlen. „Wir hoffen, dass wir das gemeinsam schaffen“, sagt Thomas Armbruster.