Nicht mehr euphorisch, aber weiterhin zuversichtlich
Zwei Drittel der Handwerksbetriebe in der Region sind mit der konjunkturellen Lage zufrieden. Allerdings hat sich die Stimmung im letzten Quartal 2019 laut der jüngsten Umfrage der Handwerkskammer Reutlingen abgekühlt. Vor allem die gewerblichen Zulieferer des Metall- und Elektrohandwerks verzeichneten Auftragsrückgänge.
„Dass die Spitzenwerte des überragenden Vorjahres nicht mehr erreicht werden, ist angesichts der nur noch gering wachsenden Gesamtwirtschaft keine Überraschung“, kommentiert Hauptgeschäftsführer Dr. Joachim Eisert das Ergebnis. Nach wie vor sorgten der private Konsum und die starke Baukonjunktur für gut gefüllte Auftragsbücher und eine hohe Auslastung, auch wenn die Zuwächse zuletzt geringer ausgefallen seien. Anders stellten sich die Rahmenbedingungen für die industrienahen Gewerken dar, so Eisert. „Diese Betriebe sind naturgemäß eng gekoppelt an die Lage ihrer Auftraggeber und damit unmittelbar betroffen von einem schwächeren Absatz im Ausland, dem Brexit oder etwa den Veränderungen in der Automobilindustrie.“
69,4 Prozent der befragten Handwerksunternehmen in den Landkreisen Freudenstadt, Reutlingen, Sigmaringen, Tübingen und Zollern-Alb bewerteten ihre Geschäftslage als gut. Vor zwölf Monate waren es 80,1 Prozent. Mit 3,5 Prozent ist der Anteil der Betriebe, die nicht zufrieden waren, nahezu unverändert geblieben. Der Konjunkturindikator der Handwerkskammer Reutlingen für das vierte Quartal 2019 liegt bei 66,4 Punkten (Vorjahr: 76,6 Punkte).
Über alle Branchen hinweg hat sich die Auftragslage etwas abgeschwächt. Jeder vierte Betrieb verzeichnete mehr Bestellungen, jeder siebte einen Rückgang. Bei den gewerblichen Zulieferern meldeten zwar 20 Prozent höhere Auftragseingänge, jedoch verbuchten 30 Prozent der Befragten ein Minus, fast doppelt so viele wie vor zwölf Monaten. Die Metall- und Elektrobetriebe verfügen über einen Auftragsbestand von knapp zehn Wochen, vier Wochen weniger als im Vorjahresquartal. Bezogen auf alle Gewerke hat der Auftragsbestand nochmals zugelegt. Im Durchschnitt beträgt dieser 10,4 Wochen (Vorjahr: 9,8), bei den Bau- und Ausbaubetrieben sind es 14 bzw. 13 Wochen.
Auch zum Jahresende 2019 hatten die Betriebe alle Hände voll zu tun. Im Vergleich zum Vorjahr hat die Auslastung nochmals zugenommen. 70 Prozent der Unternehmen konnten ihre Kapazitäten voll ausschöpfen, in jedem fünften Betrieb waren Sonderschichten und Überstunden erforderlich. Die hohe Auslastung im vierten Quartal hat sich allerdings nicht in zusätzlichen Arbeitsplätzen niedergeschlagen. Dies könnte sich bald ändern: jeder achte Betrieb will sich in den nächsten Wochen auf Mitarbeitersuche begeben.
Die Prognose der Betriebe zum Jahresbeginn fällt auf den ersten Blick verhalten aus. In fünf der sieben Handwerksgruppen liegen die Erwartungen unter denen des Vorjahres. Allein die Bäcker, Metzger und Konditoren und die Gesundheitshandwerker äußerten sich optimistischer. Angesichts des außergewöhnlich hohen Ausgangsniveaus zeige der Jahresvergleich nur eine Seite der Medaille, betont Eisert. „62 Prozent gehen von einer stabilen konjunkturellen Entwicklung aus. Jeder siebte Betrieb sieht sogar noch Potential nach oben. Die Mehrheit der Betriebe blickt also durchaus mit Zuversicht nach vorn.“
Die 13.500 Handwerksbetriebe in den Landkreisen Freudenstadt, Reutlingen, Sigmaringen, Tübingen und Zollernalb erwirtschaften einen Umsatz von 9,7 Milliarden Euro, beschäftigen über 78.000 Mitarbeiter und bilden rund 4.900 junge Menschen aus.