Minister Nils Schmid (Bildmitte) und seine Gesprächspartner Hauptgeschäftsführer Dr. Joachim Eisert, Präsident Joachim Möhrle, Baubürgermeisterin Ulrike Hotz und Ver.di-Fachbereichsleiter Rudolf Hausmann (v.l.n.r.).

06.08.2012

Regelwerk mit Schwächen

Das Tariftreuegesetz kommt. Handwerk, Kommunen und Gewerkschaften begrüßen das Vorhaben im Grundsatz. Bei einem Gespräch mit Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid in der Handwerkskammer Reutlingen wurden aber auch die Defizite der Regelung deutlich.

„Wir wollen den ehrlichen Handwerker und seine Beschäftigten vor Dumpinglöhnen schützen“, fasste Schmid die Zielsetzung zusammen. Mit dem Tariftreuegesetz setzt die grün-rote Landesregierung ein zentrales Vorhaben um, das bereits zu Oppositionszeiten angekündigt worden war. Künftig sollen nur noch solche Unternehmen Aufträge vom Land und den Kommunen erhalten, die Tariflöhne bezahlen. Als absolute Untergrenze ist ein Stundenlohn von 8,50 Euro vorgesehen. Das Gesetz soll für alle öffentlichen Aufträge über 20.000 Euro gelten.

Tarif ist nicht gleich Tarif

Einen Schutz gegen Wettbewerbsverzerrungen fordert auch das Handwerk seit langem. Für Kammerpräsident Joachim Möhrle überwiegen daher trotz eines „vergabespezifischen Mindestlohnes“ die positiven Aspekte. Allerdings löse die Landesregelung längst nicht alle Probleme. Mit Blick auf das Bau- und Ausbauhandwerk befürchtet Möhrle, dass Anbieter aus anderen Bundesländern einen Wettbewerbsvorteil gegenüber einheimischen Betrieben haben könnten.

Der Grund liegt in der komplizierten rechtlichen Struktur, die den Gestaltungspielraum des Landes erheblich einschränkt. So lässt der Europäische Gerichtshof allein bundesweit allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge als Maßstab  zu. Auf Landesebene bestehende Handwerkstarifverträge, die teilweise weit höhere Grundlöhne vorsehen, bleiben damit außen vor. „An der Wettbewerbssituation eines baden-württembergischen Elektrohandwerkers ändert sich nichts“, gab Möhrle zu bedenken.

Ganz anders sieht es bei den Verkehrsbetrieben aus, bei denen repräsentative Landestarife ohne Einschränkung angewendet werden können. Rudolf Hausmann, zuständiger Fachbereichsleiter bei der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, sprach von einem „kleinen Meilenstein“ in der Tarifpolitik. Entscheidend sei nun die praktische Umsetzung: „Schaffen wir es, das Gesetz in die Praxis zu bringen? Ich bin guten Mutes.“

Schmid setzt auf Signalwirkung

Reutlingens Baubürgermeisterin Ulrike Hotz wertete das Gesetz als hilfreich. Mit Blick auf den zu erwartenden Mehraufwand für die Verwaltung müsse um Akzeptanz geworden werden. „Die Kontrolle kann aber nicht Aufgabe der Kommune sein, das können wir nicht leisten“, machte Hotz deutlich. Mit Hauptgeschäftsführer Dr. Joachim Eisert war sie sich einig, dass auch privatisierte Tochterunternehmen der öffentlichen Hand dem Tariftreuegesetz unterstellt werden müssen.

Über die Einhaltung des Gesetzes soll eine Servicestelle wachen. Deren personelle Ausstattung war vom Handwerk schon mehrfach als unzureichend kritisiert worden. Schmid stellte keine zusätzlichen Stellen in Aussicht, griff aber die Bedenken auf. Denkbar sei eine enge Zusammenarbeit mit der Bundesfinanzverwaltung. „Die Kontrollen vor Ort werden von der Schwarzarbeitsstelle beim Zoll durchgeführt“, betonte er. Im Übrigen sieht der Minister einen kostengünstigen Weg, das Vorhaben zum Erfolg zu führen: “Das Tariftreuegesetz entfaltet eine präventive Wirkung.“