Sommervollversammlung der Handwerkskammer Reutlingen
[046/07] Mittelstandsfreundliche Politik ist kein Selbstläufer – um sie muss hart gerungen werden. Das machte Präsident Joachim Möhrle bei der Sommervollversammlung der Handwerkskammer Reutlingen an Beispielen aus Landes- und Bundespolitik klar.
Bei der Unternehmenssteuerreform habe das Handwerk hartnäckig um Verbesserungen gekämpft – und das mit Erfolg. Die Senkung der Ertragsteuerbelastung für die rund 200.000 GmbHs im Handwerk, die höhere Anrechnung der Gewerbesteuer für alle Personenunternehmen, die faktische Beseitigung der Substanzbesteuerung bei der Gewerbesteuer für alle Handwerksbetriebe und die erweiterten Möglichkeiten beim Investitionsabzugsbetrag – all das verbessere die steuerlichen Rahmenbedingungen.
Ein Wehmutstropfen bleibe die Thesaurierungsrücklage, also die steuerbegünstigte Rücklage für einbehaltene Gewinne. Es sei eine der Forderungen des Handwerks gewesen, sie einzurichten. „Schlecht ist nur das Wie“, sagte Möhrle: Der Personenunternehmer könne Entnahmen nicht aus bereits voll versteuertem Kapital tätigen, gerade kleine und mittlere Unternehmen liefen so Gefahr, steuerlich noch höher belastet zu werden, da sie ständig mit einer Nachversteuerung rechnen müssten. So bestehe die Unternehmenssteuerreform aus Sicht des Handwerks „aus Licht und Schatten“.
„Licht“ mochte Möhrle dagegen beim Pflegebeschluss gar keines ausmachen. Die Ergebnisse nannte Möhrle „enttäuschend“. Arbeit werde weiter verteuert, strukturelle Probleme würden nur verschleiert und nicht gelöst.
Ebenso wenig gelöst worden sei die Aufgabe, die Erbschaftssteuerreform auf den Weg zu bringen. Dass sie immer noch nicht in trockenen Tüchern ist, kritisierte Möhrle deutlich. „Eine Einigung ist für den Mittelstand von zukunftsweisender Bedeutung.“ Es gehe um Arbeitsplätze und Zukunftschancen für Familienbetriebe. „Aus Sicht des Handwerks ist entscheidend: Der Betrieb, der heute unter dem Freibetrag bleibt, darf auch in Zukunft nicht mit Erbschaftssteuer belastet werden."
Kritik übte er auch an der Vergabepolitik der öffentlichen Auftraggeber. Laut Mittelstandsförderungsgesetz sollten auch kleinere Unternehmen die Chance auf direkte Aufträge bekommen. Die werde ihnen aber immer seltener gegeben. Er appelliere an die Landespolitik, wie andere Bundesländer auch höhere Wertgrenzen festzulegen, innerhalb derer die öffentliche Hand nicht bundes- oder europaweit ausschreiben müsse. Die Politik könne nicht immer nur an die gesellschaftliche Verpflichtung kleinerer Unternehmen appellieren und im Gegenzug nichts für sie tun.
Dass das Handwerk sich seiner gesellschaftlichen Verpflichtungen durchaus bewusst sei, zeige der Blick auf die äußerst positiven Ausbildungszahlen im Kammerbezirk. „Das Handwerk ist in hohem Maße bereit auszubilden“, sagte Möhrle. „Aber wir sind nicht der Reparaturbetrieb der Nation.“ Auch das Land sei politisch in der Pflicht: „Es muss uns junge Menschen an die Hand geben, die ausbildungsfähig sind."
Hauptgeschäftführer Joachim Eisert verwies ergänzend auf ein neues Dienstleistungsangebot der Handwerkskammer Reutlingen: Das neue Starter-Center sei ein weiterer wichtiger Schritt hin zu mehr Dienstleistungen, mit dem die Handwerkskammer angehende Unternehmer im Handwerk bei der Existenzgründung unterstützen werde.
Gute Nachrichten hatte Eisert auch von der Jahresrechnung zu verkünden: „Wir können ein hervorragendes Ergebnis für das Rechnungsjahr 2006 vorweisen“, sagte er. Erfreulich sei auch, dass die Kammer seit dem 1. Juni 2007 schuldenfrei ist.