Das Parlament des Handwerks bei einer Abstimmung.

27.07.2006

Sommervollversammlung der Handwerkskammer Reutlingen

Kritik an einer halbherzigen Schul- und Bildungspolitik sowie an geplanten Steuer- und Abgabenerhöhungen und Forderungen nach dem weiteren Abbau bürokratischer Hemmnisse - das waren die zentralen Themen, die Joachim Möhrle, Präsident der Handwerkskammer Reutlingen, bei der diesjährigen Sommervollversammlung in Reutlingen vortrug.

Positiv zu sehen seien die Eckwerte der Bundesregierung für die Reform des Unternehmenssteuerrechts, so Möhrle. Die angestrebte Zielmarke einer Unternehmensbesteuerung von knapp unter 30 Prozent werde ausdrücklich vom Handwerk unterstützt.

Auch die Einbeziehung der Personenunternehmen in die Reform begrüße er ausdrücklich - auch wenn immer noch die kleinere Gruppe der Kapitalgesellschaften mehr im Vordergrund stehe. Zentrum einer sinnvollen Reform müsse aber sein, Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen gleichermaßen zu entlasten.

Möhrle: „Viel wichtiger wäre die Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns. Die Einführung einer nicht zweckgebundenen allgemeinen Thesaurierungsanlage, die maximal mit dem Körperschaftssteuersatz belegt wird, würde außerdem im Handwerk die Voraussetzung zu einer Verbesserung der Eigenkapitalsituation schaffen.“

Deutlich kritisierte Möhrle, dass die Steuern steigen statt - wie zuvor versprochen - zu sinken. Die bereits im vergangenen Jahr beanstandete Erhöhung der Mehrwertsteuer werde sich sehr bald als ein gravierender wirtschaftspolitischer Fehler herausstellen, der im Handwerk als reine Kostenerhöhung wirke.

Das gelte vor allem in den Branchen, in denen die Betriebe im harten Wettbewerb zur Schattenwirtschaft stünden. Hinzu komme, dass die CDU den Gedanken der Mehrwertsteuererhöhung ursprünglich mit einer parallelen Reduzierung der Personalzusatzkosten in Verbindung gebracht hatte. Hiervon sei leider wenig übrig geblieben, wie die Eckpunkte der Gesundheitsreform deutlich zeigten. Die Wahlzusage habe sich sozusagen in Luft aufgelöst, die Betriebe fühlen sich zu Recht verschaukelt.

Die notwendige und zugesagte deutliche Absenkung der Beiträge als Einstieg in eine Strukturreform seien mit diesem Entwurf sicherlich nicht zu schaffen, da auch Elemente fehlten, die Eigenverantwortung der Versicherten zu stärken. Im Gegenteil: Die für 2007 angekündigte Beitragserhöhung um mindestens 0,5 Prozent bedeute einen weiteren Anstieg der Personalzusatzkosten und eine Belastung insbesondere der arbeitsintensiven Handwerksbetriebe.

Auch in der Schulpolitik des Landes vermisse er konkret formulierte Ziele, führte Möhrle weiter aus. Die Zahl der nicht ausbildungsreifen Jugendlichen eines Jahrgangs zu halbieren dürfe allenfalls ein Minimalziel sein.

Darüber hinaus dürfe man sich in der Hauptschule nicht nur auf praktische Begabungen konzentrieren. Vielmehr müssten praktische und theoretische Schwerpunkte gefördert werden - und zwar gleichermaßen an Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien. Denn gerade in Handwerksberufen mit ihrer starken Kundenorientierung sei auch theoretisches Verständnis unabdingbar.

Insgesamt sei es bedauerlich, dass in der Regierungserklärung wie auch schon in der Koalitionsvereinbarung das Thema Berufliche Bildung nur eine marginale Rolle spiele. Die für eine erfolgreiche duale Ausbildung unverzichtbaren überbetrieblichen Bildungseinrichtungen würden zum Beispiel in der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP überhaupt nicht erwähnt.

Dies sei vor allem deshalb problematisch, da die Mitfinanzierungsanteile des Landes an den Investitionen und Betriebskosten dieser Einrichtungen zu den freiwilligen Leistungen zählten, die ab dem Doppelhaushalt 2007/2008 generell um 5 Prozent gekürzt werden sollen. Möhrle: „Ich hätte mir also eine deutlichere Sprache zur Stärkung der dualen Ausbildung gewünscht.“