Strategieberatung: Die Zukunft im Blick
Beim regionalen Auftakt der landesweiten Strategieoffensive Handwerk 2025 in Tübingen informierten sich 100 Unternehmer über Konzepte und das Beratungsangebot für Betriebe.
„Das Tagesgeschäft verhindert oft, die längerfristige Ausrichtung des Betriebs zu überdenken. Es gibt Defizite in Planungsfragen, die personell und strukturell nicht aufgefangen werden können“, sagte der Präsident der Handwerkskammer Reutlingen Harald Herrmann bei seiner Begrüßung der 100 Unternehmerinnen und Unternehmer, die ins Sparkassen Carré gekommen waren.
Hier setzt die neue Beratungsinitiative für Handwerksbetriebe an. „Wer bei der Digitalisierung, der Gewinnung von Nachwuchs oder mit den sich ändernden Märkten Schritt halten will, braucht eine gute Strategie“, machte Herrmann beim regionalen Auftakt der „Strategieoffensive Handwerk 2025“ deutlich. Für dieses werden vom Land 4,4 Millionen Euro an Fördermitteln zur Verfügung gestellt. „Wir wollen Handwerksbetriebe mit Informations- und Beratungsangeboten unterstützen, damit es ihnen gelingt, künftig längerfristig zu planen“, so Dr. Hans-Joachim Hauser vom baden-württembergischen Wirtschaftsministerium. Er appellierte an die Teilnehmer des Infoabends, ihre Betriebe angesichts der vielfältigen Herausforderungen fit für die Zukunft zu machen.
Praxisnahe Beratung gefragt
Nur rund ein Drittel der Unternehmer, die während der Veranstaltung an einer Live-Umfrage teilnahmen, gaben an, ihren Betrieb bereits regelmäßig strategisch zu führen. Aber über die Hälfte der Teilnehmer hält eine gezielte Planung für sehr wichtig. Für diese Lücke nannten sie Hrvatin Vrzina aus dem Beratungsteam der Handwerkskammer gleich mehrere Gründe: mangelnde Fähigkeiten, das fordernde Tagesgeschäft und die Erfahrung, dass es auch so geht. Gleichwohl zeigte die Umfrage auch, dass sich die Betriebe mehr Beratung und Begleitung wünschen. 35 Prozent gaben an, sich eine individuelle Strategieberatung wünschen. Interesse zeigten die Befragten auch an Workshops und Seminaren sowie an Erfahrungsaustausch und Unternehmergesprächen.
Beispiele aus der Region
Mit vier Unternehmern aus der Region, die bereits einen Schritt weiter sind, unterhielt sich Sylvia Weinhold, Geschäftsführer der Unternehmensberatung der Kammer beim anschließend „Strategie-Chat“. Roman Geiselhart, Geschäftsführer des Pfullinger Malerbetriebs Anton Geiselhart, schilderte die Entwicklung einer eigenen Kampagne, um Nachwuchskräfte zu gewinnen. Es seien immer weniger Bewerbungen eingegangen. Mit dem mittlerweile preisgekrönten Projekt „Azubi-Superstar“ ging das Unternehmen an die Öffentlichkeit, in zwei Werbespots zeigte das Unternehmen in witzigen Episoden, dass die Ausbildung zum Maler oder Stuckateur durchaus „cool“ sein kann. Zwar sei die Bewerberflut ausgeblieben, so Geiselhart, aber die Qualität der Bewerbungen sei insgesamt höher.
Für Christoph Unger, Geschäftsführer eines Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnikbetriebs in Rottenburg, stehen die Kunden im Mittelpunkt. „Wir orientieren uns an ihren Wünschen und entwickeln unsere Dienstleistungen für sie. Dabei kommen solide, mittelpreisige Lösungen heraus.“ Er habe viele Ideen. „Um Strategie leben zu können, brauche ich auch Mitarbeiter, die mir die Schwachpunkte aufzeigen.“
Sie habe den Eindruck, die Digitalisierung unserer Gesellschaft beschleunige sich. „Deshalb beobachten und analysieren wir technische Trends, um rasch darauf reagieren und unser Angebot weiterentwickeln zu können“, so Kristin Maier-Müller, Geschäftsführerin der G. Maier Elektrotechnik in Reutlingen. Der Betrieb hat die Plattform SmartService entwickelt, der Wartung und die Kommunikation zwischen Kunde und Servicetechnik erleichtert. „Das spart den Kunden Zeit und Kosten, ist schnell und bindet Kunden. Ich sehe in der Digitalisierung eine Chance für das Handwerk.“
Seinen Kunden einen einfachen Zugang zu erneuerbaren Energie zu ermöglichen, das ist die Strategie von Reiner Stauss, Geschäftsführer von Solera mit Sitz in Geislingen bei Balingen. Der Wirtschaftsingenieur ging einen neuen Weg und entwickelte gemeinsam mit Mitarbeitern das Konzept, Photovoltaikanlagen zu vermieten. „Für die Kunden entstehen nur die Mietkosten, die unter dem liegen, was sie für Strom bezahlt haben. Unser Angebot wird sehr gut angekommen, wir sind inzwischen auch bundesweit unterwegs.“
Text: Raphaela Weber