Joachim Möhrle, Präsident der Handwerkskammer Reutlingen, ging bei der Vollversammlung auf aktuelle handwerkspolitische Entwicklungen ein.

29.11.2006

Vollversammlung der Handwerkskammer Reutlingen

Kritik an der geplanten Gesundheitsreform und verhaltene Zustimmung zur Unternehmenssteuerreform - in seiner Begrüßungsrede bei der Wintervollversammlung der Handwerkskammer Reutlingen ging Präsident Joachim Möhrle auf die Licht- und Schattenseiten aktueller politischer Entwicklungen ein.

Insbesondere für die Gesundheitshandwerke werde durch die geplante Gesundheitsreform eine existenzbedrohende Entwicklung in Gang gesetzt. Gesundheitshandwerke, die bei Hilfsmittelausschreibungen den Zuschlag nicht erhalten, verlieren nach den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums ihre existenznotwendige Kassenzulassung. Damit verlören sie, so Möhrle, de facto auch das Recht auf ihre Berufsausübung.

Die Konsequenzen wären gravierend. Möhrle: „Viele Betriebe würden vom Markt verschwinden, tausende Arbeits- und Ausbildungsplätze vernichtet. Das ist wohl etwas, was den meisten Gesundheitspolitikern nicht bewusst ist, anders kann ich mir diese Entscheidung nicht erklären.“

Die vom Bundeskabinett beschlossene Reform verfehle aber insgesamt ihr Ziel: „Die Beiträge steigen, es bleibt bei der Belastung der Löhne mit viel zu hohen Lohnzusatzkosten. Sie werden nicht nennenswert unter 40 Prozent gesenkt werden können, wie ursprünglich von der Bundesregierung angepeilt. Die dringend notwendige Abkopplung der Beiträge vom Lohn wird nicht erreicht.“

Positiver bewertete Möhrle die bekannt gewordenen Eckwerte zur Unternehmenssteuerreform: Diese zeigten erste wichtige Schritte zur Stärkung der mittelständischen Wirtschaft am Standort Deutschland auf.

Die Politik habe die konstruktiven Vorschläge des Handwerks in weiten Teilen aufgegriffen. Dies zeige sich besonders bei der Reform der Erbschaftssteuer, durch die Betriebsübergaben deutlich erleichtert werden sollen.  

Die Erbschaftsteuerschuld mit der neuen Freigrenze für Betriebsvermögen in Höhe von 100.000 Euro soll künftig an die Dauer der Betriebsfortführung gekoppelt werden - eine Entscheidung, wie sie vom Handwerk schon seit vielen Jahren vorgeschlagen wurde. Wäre dieser Punkt nicht umgesetzt worden, hätte dies zu Mehrbelastungen gerade für mittelständische Betriebe geführt.  

Möhrle berichtete auch, dass die Kammern und Verbände des baden-württem¬bergischen Handwerks - mit Ausnahme des Verbandes des Kraftfahrzeuggewerbes -  die vollständige Freigabe der Ladenöffnungszeiten ablehnten. Die Wünsche der Verbraucher seien zwar verständlich, sie müssten aber mit den betriebswirtschaftlichen und sozialen Belangen der mittelständischen Betriebe vereinbar sein.

Viele der Familienbetriebe seien - zum Beispiel durch aufwändige lebensmittel- und hygienerechtlich bedingten Vorbereitungs- und Anschlussarbeiten - schon jetzt nicht in der Lage, den bestehenden großzügigen Öffnungsrahmen auszuschöpfen.