Gut besucht war der erste Sachverständigentag der Handwerkskammer Reutlingen.

25.06.2013

Was Richter wünschen

Die Zusammenarbeit mit Gerichten stand im Mittelpunkt der ersten Sachverständigentagung der Handwerkskammer Reutlingen. 40 selbständige Handwerker aus verschiedenen Gewerken nutzten die Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch.

Ist eine Arbeit vertragsgemäß ausgeführt worden? Wurden die technischen Standards eingehalten? Ist der Preis gerechtfertigt? Wenn es über solche Fragen zum Streit kommt ist die Einschätzung von unabhängigen Experten gefragt. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an Gutachter. Rainer Neth, stellvertretender Hauptgeschäftsführer, wies in seiner Einführung auf die besondere Verantwortung der Sachverständigen hin. „Als Gutachter können Sie viel ausrichten, aber auch viel anrichten.“

Kompetente Erklärer gesucht

Auch Hansjörg Scherer fühlt sich mitunter überfordert. Doch der Vorsitzende Richter am Landgericht Tübingen muss entscheiden. Die Streitfälle, die auf seinem Schreibtisch landen, kreisen um tropfende Wasserhähne, unebene Estrichböden oder die Aufhängung von Balkonen. „Ich bin auf Fachleute angewiesen, die komplexe technische Fragen verständlich darstellen können.“

Was ein Richter von Sachverständigen erwartet, formulierte Scherer in drei Wünschen. Da ist zunächst die rasche Rückmeldung, nachdem der Auftrag erteilt wurde. Der Gutachter müsse beispielsweise prüfen, so Scherer, ob alle erforderlichen Unterlagen vorliegen, Ortstermine vorbereiten und die voraussichtlichen Kosten benennen und das Gericht als weisungsbefugte Stelle darüber informieren. Scherer erinnerte nochmals an die Pflicht zur Neutralität. Bestehen nähere Kontakte zu einer der streitenden Parteien, sei diese gefährdet.

Kühlen Kopf bewahren

Das Gutachten selbst sollte anschaulich und nachvollziehbar sein. Fachbegriffe seien für Laien ein Buch mit Siegeln und damit ein Hindernis für eine sachgerechte Bewertung. Dabei komme es vor, dass eine Frage nicht abschließend geklärt werden könne, weiß Scherer. Falscher Ehrgeiz sei fehl am Platze. „Wenn eine Beurteilung nicht möglich ist, geben Sie die Gründe an, warum das so ist.“

Freilich beendet auch das beste Gutachten nicht alle Streitigkeiten, sondern wird oftmals selbst Gegenstand der Auseinandersetzung im Gerichtssaal. Schließlich geht es immer auch ums Geld. Scherers Wunsch: „Bleiben Sie ruhig und gelassen, wenn eine der Parteien versucht, die Qualität des Gutachtens und damit die Qualifikation des Fachmanns zu erschüttern.“ Die fachliche Ebene dürfe niemals verlassen werden, persönliche Angriffe seien zu vermeiden.

Viel Stoff für die anschließende Diskussion, die vom Reutlinger Rechtsanwalt Andreas Frost moderiert wurde. Der praktische Austausch mit Kunden sei für Gutachter so wichtig wie für jeden anderen Unternehmer, so Frost, der als Ausbilder im Sachverständigenwesen in Baden-Württemberg tätig ist. „Der gute Eindruck zählt, wenn man im Geschäft bleiben will.“

Stichwort "Sachverständige"

Die Handwerkskammer Reutlingen ist in den Landkreisen Freudenstadt, Reutlingen, Sigmaringen, Tübingen und Zollernalb für die Vereidigung und Fortbildung der öffentlich bestellten Sachverständigen in allen Gewerken zuständig. Die Verpflichtung auf die Zivilprozessordnung wie auch die besondere Sachkunde der erfahrenen Fachleute bieten Gerichten, Behörden und Betrieben, aber auch privaten Auftraggebern die Gewähr eines unabhängigen objektiven Gutachtens. Aktuell stehen im Bezirk der Handwerkskammer Reutlingen 103 Sachverständige in 33 handwerklichen Bereichen zur Verfügung. Eine Onlinedatenbank finden Sie unter www.hwk-reutlingen.de/sachverstaendige.html.