Präsident Harald Herrmann und Hauptgeschäftsfüher Dr. Joachim Eisert beim Pressegespräch vor der Vollversammlung

27.11.2018

Wintervollversammlung der Handwerkskammer Reutlingen

EU-Wahl, Luftreinhalteplan, Meisterprämie, Forderungen zum Bürokratieabbau und die nach wie vor erfreuliche Konjunkturentwicklung waren die zentralen Themen auf der Wintervollversammlung der Handwerkskammer Reutlingen am 26. November 2018

Die Rede vor der Vollversammlung des Zentralverbandes des deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin, die der Präsident Hans Peter Wollseifer Ende September hielt, hatte auch den Präsidenten der Reutlinger Handwerkskammer, Harald Herrmann, tief beeindruckt. Die darin enthaltenen Themen wie etwa die Unzufriedenheit vieler Bürgerinnen und Bürger mit der Politik, die vielen Regierungskrisen und endlose Diskussionen um Bildungspolitik oder Arbeitslosenversicherung, griff er auf und gab sie wider.

Er forderte zudem auf, die vom ZDH beschlossenen Leitlinien zur Europawahl 2019 „in Vielfalt zusammen“ zu unterstützen und zu beherzigen, denn „dauerhafter Frieden, Freiheit und Wohlstand gehe in Europa nur mit der EU, nicht gegen und schon gar nicht ohne sie. „Im Handwerk haben Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus nichts zu suchen“, erklärte Herrmann.

Anschließend ging er auf Einzelheiten der Kammerarbeit ein.

Dabei ging er explizit auf die laufenden Baumaßnahmen der Bildungsakademie in Tübingen ein und versicherte, dass bisher keine unnötigen Ausgaben getätigt wurden und auch alle Nachträge sorgfältig auf Plausibilität und Rechtfertigung geprüft wurden. Er versicherte wiederholt, dass das Projekt Bildungsakademie ohne Beitragserhöhung oder Kreditaufnahme realisiert würde.

Eingehend auf die diesjährige Meisterfeier, formulierte Präsident Herrmann zudem noch das Thema „Meisterprämie oder Meisterbonus“. Die Einführung einer Meisterprämie in Höhe von mindestens 1.500 Euro, wie sie der Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold fordert, erfahre seine volle Unterstützung. „Mit dieser Summe werden zwar nur ein Teil der Kosten des Meisterlehrgangs gedeckt, aber es wäre ein wichtiger Schritt, um die berufliche Bildung aufzuwerten und den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg stärken“, sagte Herrmann.

Zum Thema Luftreinhaltung und Positionierung der Handwerkskammer bei eventuellen Fahrverboten vertrat er und der Vorstand die Auffassung, dass die konkrete Debatte dazu nicht erst dann geführt werden sollte, wenn Fahrverbote drohen könnten oder gar bevorstünden. „Wir müssen davon ausgehen, dass auch in der Region Reutlingen 32 Prozent der Fahrzeuge unserer Betriebe solche mit Diesel der Norm Euro 4 oder schlechter sind“, so Herrmann.

Mehr Flüchtlinge in der Ausbildung

Hauptgeschäftsführer Dr. Joachim Eisert beschäftigte in seiner Rede die Lehrstellensituation im Kammerbezirk.

Insgesamt liege die Zahl der Neuverträge auf dem Vorjahresniveau. Bis zum 31. Oktober dieses Jahres wurden 2.076 Neuverträge eingetragen, das ist ein Rückgang von 1,0 Prozent). Zum Stichtag 31. Oktober waren noch 170 freie Ausbildungsstellen zu vermelden. „Erfreulich ist weiterhin, dass knapp 14,2 Prozent aller Auszubildenden im Handwerk ein Abitur vorweisen. Das ist etwa der gleiche Wert wie vor einem Jahr. Im Jahr 2010 waren es gerade einmal fünf Prozent“, so Eisert weiter.

Von Bedeutung sei nach wie vor, Flüchtlinge in ein Ausbildungsverhältnis zu bringen, so Eisert. Im Kammerbezirk absolvierten derzeit 279 Menschen mit Fluchtgeschichte eine Ausbildung.

Mit Lehrzeitbeginn 2018 nahmen 149 junge Menschen aus diesem Personenkreis eine Ausbildung auf. Das sind immerhin 7,2 Prozent der Neuabschlüsse bei den Ausbildungen im Vergleich zum Vorjahr und ein bemerkenswerter Kammerwert: Addiert mit dem Abiturientenwert machen diese und die geflüchteten Menschen zwischenzeitlich knapp 22 Prozent der Neuabschlüsse – ein nicht zu unterschätzender Wert vor dem Hintergrund, dass alle Bereiche der Wirtschaft um Nachwuchs kämpfen.

Zudem habe man erkannt, dass mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache nach wie vor ein Hemmschuh bei der Ausbildung von Geflüchteten seien. Deshalb werde sich die Handwerkskammer dem vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg kürzlich erarbeitetem Förderprogramm anschließen. Es heißt „Fit für die Ausbildung“ und richtet sich überwiegend an Flüchtlinge und Migranten. Von Azubi-Knigge über Mathe-Grundlagen bis hin zu Medienkompetenz und Deutschkursen sind darin 10 Kurzseminare vorgesehen, die nicht nur inhaltlichen Nutzen haben, sondern auch als Nachweis für zusätzlich erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten gelten. Die Bildungsakademie in Tübingen wird das Förderprogram für den nächsten Sommer beantragen. Das Land Baden-Württemberg wird die Kurse zu 80 Prozent finanzieren, die Bildungsakademie übernimmt deren Organisation, die Kammer finanziert entweder ganz oder mit einem kleinen Anteil der interessierten Betriebe den Rest.

Er gab auch die Bitte des BWHT weiter, bei den Unternehmen um eine entsprechende Freistellung von Lehrlingen mit Fluchthintergrund für solche Sprachkurse zu werben und diese auch zu nutzen.

Ein anderes Thema Eiserts war das Positionspapier des BWHT mit „25 Forderungen zum Bürokratieabbau. „Wenn Sie Beispiele aus der Praxis haben oder Betriebe kennen, die uns ein konkretes Bürokratiebeispiel nennen können, dann tragen sie diese an uns jederzeit heran. Wir prüfen sie, bereiten sie erforderlichenfalls auf und leiten das Ganze dann dem BWHT weiter, forderte Eisert die Betriebe auf.